Heike Mayer im Interview – „Meine allerbeste Freundin – Neurodermitis-Tagebuch“
Heike Mayer leidet seit ihrer Kindheit an Neurodermitis und will anderen Betroffenen mit ihrem Buch „Meine allerbeste Freundin“ Mut machen. Wir haben der Autorin ein paar Fragen über ihr Buch und ihre Leidensgeschichte gestellt:
Heike, in deinem Buch beschreibst du die Neurodermitis als deinen täglichen Begleiter. Wie bist du auf die Idee gekommen, deine Leidensgeschichte zu Papier zu bringen?
Ich arbeitete ja bereits zuvor schon als Autorin. Damals hatte ich mich mit der Figur der „Medea“ aus der Antike beschäftigt und war auf so interessante Dinge gestoßen, dass ich einfach einen Roman daraus machen musste. So liegt es natürlich nahe, dass man auch andere Dinge, vielleicht ganz alltägliche Dinge, schriftlich festhalten möchte, denn Schreiben ist eine Passion. Hinzu kam eine Art Schlüsselerlebnis im Sommerurlaub 2005, als Familienmitglieder über ihre Mückenstiche klagten und mir bewusst wurde, dass ich nicht so sehr darunter leide wie andere Menschen, da es ständig an meinem Körper irgendwo juckt oder gejuckt hat. Da dachte ich spontan daran, das einmal schriftlich festzuhalten. Und schon immer störte mich an den Büchern, die ich über ND in den Händen hielt, dass sie zumeist von Experten geschrieben worden sind, die keinesfalls selbst an der Krankheit litten. Oft wurde noch beinahe fanatisch eine spezielle Therapie empfohlen, die, wenn sie nicht anschlug, einen zum Verzweifeln brachte.Mir fehlte immer das unendliche Leid, das es bedeutet, an ND erkrankt zu sein und am Verständnis für die Situation in der man sich als Erkrankter befindet. So begann ich meine Leidensgeschichte in einer Art Tagebuch festzuhalten. Ich schilderte das alltägliche Leid, erzählte von Therapien, die ich in der Vergangenheit machte, recherchierte, was hinter diesen Therapien eigentlich steckt, entdeckte dabei neue und probierte sie aus. Auch stieß ich auf verschiedene ND-Foren und machte mir Gedanken zu den Einträgen, die ich da fand, und hielt sie fest.
Haben deine Kinder auch Neurodermitis? Wie äußert sich die Krankheit bei ihnen und wie geht ihr damit um?
Zwei meiner drei Kinder haben ebenfalls Neurodermitis.
Bei meinem Sohn trat die Erkrankung schon im Kleinkindalter auf, vermutlich ausgelöst durch einen stationären Aufenthalt direkt nach der Geburt, bei dem ich HA Milch zugefüttert wurde. Seine ganze Kopfhaut, die Augenbrauen, die Gehörgänge waren bedeckt mit Milchschorf und er Kratzte sich blutig. Später wurden die Abstände zwischen den einzelnen Schüben immer größer. Mittlerweile erkennt ein Außenstehender überhaupt nicht, dass er die Veranlagung in sich trägt. Meine Jüngste ernährte ich aus diesem Grund ganz besonders aufmerksam allergienarm, stillte ewig, fütterte ihr kein fremden Eiweiße usw. und dennoch bekam sie ihr erstes Ekzem mit fünf. Seither ereilt es sie eigentlich jeden Winter. Doch inzwischen können wir beide sehr gut damit umgehen. Anfangs verweigerte sie jede medizinische Hilfe, aber gerade in den letzten Wochen bemerkte sie ein Trocken-werden, um ein Auge herum, und sie nimmt nun wieder jeden Tag ein wenig Aloe Vera ein. Im Gegensatz zu meiner Mutter, die mich auf ärztlichen Rat immer dick eincremte, habe ich die Haut meiner Kinder diesbezüglich nie verwöhnt, denn ich bin der Meinung, dass eine Haut sich an solche Zugaben gewöhnt und seine eigene Talgproduktion, die ja sowieso beim NDler verringert ist, noch weiter herunterfährt.
Interessant dabei ist, dass das, was mir Linderung verschafft, das Leid der Kinder nicht unbedingt auch verringert. Und umgekehrt. Meinem Sohn und meiner Tochter halfen beispielsweise homöopathische Sulfurgaben, während ich mit heftigem Ausschlag darauf reagiere. So wie auch eine Studie der Uni Jena ergeben hat, dass 30% von einer Behandlung mit Stutenmilch profitieren, denn daraus folgt, dass es 70% eben nicht tun.
Wie lange hast du schon Neurodermitis? Wie bist du als Kind und Jugendliche damit umgegangen?
Ich habe seit meiner Geburt ND. Meine Mutter konnte nicht stillen und nach mehreren Versuchen mit verschiedenen Milchsorten verwendete sie zuletzt Mandelmilch. Irgendwie gibt es nun keinen Moment, an dem ich festmachen kann, dass mir klar wurde, dass ich krank bin, aber es gibt einzelne Erlebnisse, die mich spüren ließen, es ist etwas nicht in Ordnung. Als ich drei Jahre alt war beispielsweise, waren meine Eltern mit mir im Sommer in Italien gewesen. Da ich meine Arme aufgekratzt hatte, hatte meine Mutter sie komplett einbandagiert. Freundlich Italiener sprachen mich darauf an und drückten ihr Mitgefühl aus. Meine Handarbeitslehrerin, die selbst an ND erkrankt war, befragte mich vor meinen Mitschülern teilnahmsvoll, doch bei mir löste das nur Unbehagen aus. Ich fühlte mich vor den anderen bloßgestellt. Ich wollte nicht anders sein wie sie. Und dann waren da immer die sorgenvollen, mitleidigen Blicke meiner Mutter auf meine Haut, die mich lange Zeit dazu veranlassten, rasch zur Cortisonsalbe zu greifen, um ihr bloß keinen Kummer zu machen.
Die schlimmste Zeit im Leben eines NDlers ist wahrscheinlich die Pubertät. Wo zum Leiden die Scham hinzukommt. Die Scham über das entstellte Äußere, wobei die meisten Pubertierenden, auch ohne eine Hauterkrankung zu haben, sich in dieser Zeit oft hässlich finden. Beispielsweise trug ich im Sommer, so heiß es auch sein mochte, nie etwas Kurzärmeliges, oder ich verzichtete gänzlich auf einen Freibadbesuch.
Bei mir kam gleichzeitig noch eine Abneigung Ärzten Therapien, Kuren gegenüber, die mich bisweilen auch heute noch nicht ganz losgelassen hat. Ich fühlte mich nie wirklich verstanden, geschweige denn auf lange Sicht geholfen.
In der Kindheit waren zum größten Teil die Armbeugen und Kniekehlen vom Ekzem betroffen. Im Erwachsenenalter, nach einer Rötelimpfung, Gesicht, Hals und Hände. Ob es ohne die Impfung auch zu dieser Veränderung gekommen wäre, weiß ich nicht zu sagen.
Inwieweit bist du durch die Krankheit in deinem Leben eingeschränkt? Hat deine Haut dich jemals bei wichtigen Entscheidungen beeinflusst?
Ich müsste eigentlich noch disziplinierter leben, damit es mir deutlich besser ginge. In den Schulferien, wenn meine Kinder zu Hause sind, und ich nach meinem eigenen Rhythmus leben kann, sprich viel später aufstehen und später ins Bett gehen, ist meine Haut fühlbar besser. Morgens sieht sie immer schlechter aus als abends. Also sollte ich darauf achten, wenn ich schon früh aufstehen muss, auch rechtzeitig ins Bett zu gehen und mehr zu schlafen. Schlafmangel sieht man meinem Hautbild eindeutig an.
Und ganz wichtig ist es, verschiedene Lebensmittel strikt zu meiden, z. B. Weizen, Tomaten, Nüsse, Fisch, Milch, Alkohol und Hefe in allen Variationen ( also auch kein Sauerteig oder Backferment) und extrem viel zu trinken. Der heißgeliebte Nagellack löste zuletzt auch heftigste Reaktionen hervor. Ich hoffe, dass ich ihn in eine paar Jahren wieder verwenden kann, wenn ich ihm nun ausdrücklich entsage.
Ich wäre wahnsinnig gerne Schauspielerin geworden, doch alleine die Theaterschminke wäre auf meiner Haut undenkbar gewesen. Ich denke, als Autorin bin ich diesem Wunsch wenigstens sehr nahe gekommen, allerdings kann ich „im Versteckten“ schreiben. Nur bei Lesungen präsentiere ich mich der Öffentlichkeit. Manchmal ist es dann schon schwer, keine Make-up verwenden zu können. Dennoch mache ich leidenschaftlich gerne Lesungen, weil man dabei endlich einmal Feedback von seinen Lesern bekommt.
Was möchtest du den Lesern dieses Forums mit auf den Weg geben?
Ich will ihnen Mut machen, genau das war auch mein Hauptanliegen mit meinem Buch. Sie sollen nie die Hoffnung aufgeben, etwas zu finden, was ihr Leiden lindern kann, und nicht verzweifeln, falls eine empfohlene Therapie für sie nicht den durchschlagenden Erfolg in sich birgt. Sie sollen sich bei allen Heilversprechungen immer einen kritischen Blick bewahren, denn viele Konzerne wollen nur schnell einen großen Profit machen.
Für mich selbst war es ungemein hilfreich, dieses Buch zu schreiben, ich habe endlich völlig offen meinem Leiden ins Gesicht geschaut, habe dabei etwas gefunden, was mein Leid momentan lindert, habe entdeckt, was mein Hautbild verschlechtert und das Allerwichtigste, ich habe im Forum Menschen getroffen, denen es genauso oder ähnlich geht wie mir oder auch ganz anders. Allerdings das Bedeutendste dabei ist: Ich habe festgestellt, dass ich nicht alleine bin. Das Forum ist insofern für mich eine wichtige Stütze und gibt mit Halt.
Weitere Interviews mit Heike Mayer findet Ihr beim Stuttgarter Wochenblatt und auf kultur-extra.de.
parka.de“> sale
In sämtlichen Neurodermitikernforen läuft einem Frau Mayer mit Ihrer Buchwerbung übern Weg.
Jetzt leider auch hier.
Schade.
Hallo Jenny,
dein Beitrag zeigt mir, dass du schon eine ganze Weile in ND-Foren unterwegs bist, denn das Buch kam im Jan. 2008 auf den Markt, und damals habe ich in eine paar Foren darüber geschrieben. Das stimmt. Wenn du auf meiner HP schaust, findest du allerdings nur Links zu drei Foren, sämtliche sind das mit Sicherheit nicht. Auch habe ich jedes Mal die Moderatoren gefragt, ob ich einen solchen Beitrag in einem Forum hinterlassen darf. Zudem bin ich in jenen Foren auch anderweitig aktiv und schreibe dort so oft ich kann. Ich fühle mich ebenso wie du von vielen Werbungen mit der Heilungsbotschaft genervt, beispielsweise finde ich es nicht sehr fein, eine Sendung im TV mit dem Titel „Heilung unerwünscht“ just zu dem Zeitpunkt zu bringen, in dem die angeblich heilbringende Salbe zufällig gerade auf den Markt kommt. Ich verpreche überhaupt keine Heilung durch das Lesen meines Buches, und nichts liegt mir ferner als den „großen Reibach“ mit dem Buch zu machen. Ich verdiene gerade ‚mal 80 Ct am Verkauf eines Buches. Ich wollte einzig und alleine die Öffentlichkeit auf unser Leid aufmerksam machen und habe versucht, dieses in Worte zu fassen, weil das mein Job ist. Wenn du dich dadurch penetriert fühlst, tut es mir sehr leid, allerdings möchte ich dich noch mit aller Deutlichkeit darauf aufmerksam machen, dass obenstehender Artikel ein Interview mit mir ist und keinen Thread den ich selbst hier hineingestellt habe.
Liebe Grüße
deine Heike
Interessantes Interview! Ich habe mal gelesen, dass diese Probleme auch psychologischer Natur sein können und mit Streß zusammen hängen können. Können Sie sich dieser These anschliessen? Habe es im Interview leider nicht gesehen. Vielen Dank,
Heike
ich bin einfach nur erstaunt, wie sehr meine Haut und ich der Autorin ähneln!
Als Kind waren bei mir auch immer Arm-und Kniebeugen befallen und jetzt mit 21 Jahren hauptsächlich die Hände, das Gesicht, Hals und Schultern.
Außerdem würde ich so gern Theater spielen, aber bei der Vorstellung daran, dass evtl. auch Maskenbildner, Visagisten usw. an meine Haut kommen, graut es mir. Und die Tatsache, dass die haut unter all der Schminke ,,erstickt“,
verursacht bei mir so schon ein heftiges Jucken!
ich habe trotz meiner neurodermitis eine schauspielausbildung abgeschlossen. ich leider ehrlich gesagt nicht so sehr unter meiner haut, ich habe mit schlimmerem zu kämpfen. ob das alles einfluss hat auf meinen beruflichen erfolg, darüber habe ich mir noch nie gedanken gemacht, weil ich mich nicht so sehr mit meiner neurodermitis beschäftige, sie ist halt einfsch da….
was frau mayer angeht und nicht nur sie, bin ich ehrlich gesagt, der meinung, man sollte mit nd und anderen schlimmen dingen, die man vererben könnte, lieber auf kinder verzichten, ich find es egoistisch, aber das istnur meine pers. meinung.